Schwere für Rollen-und Tiefdrucker: Übernahmen, Konkurse, Insolvenzen. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Von Michael Dömer

Die Konsolidierung im Rollendruck hat bereits vor geraumer Zeit begonnen und nimmt seit ein paar Monaten an Intensität zu. Das ist nicht verwunderlich und verläuft zum einen parallel zur Entwicklung der Märkte, zum anderen auch parallel mit dem Erkenntnisprozess bei Gesellschaftern und Kreditgebern, dass es keine Zukunft mit „weiter so“ mehr gibt.

Es wäre im Gegenteil verwunderlich, wenn bei solchen Marktveränderungen keine Konsequenzen bei den Anbietern erfolgen.

Wie beim Sport kommt nun aus den Zuschauertribünen immer mehr Kritik von denen, die selbst noch nie auf`m Platz waren es aber viel besser wissen.

Ja, es gibt immer unternehmerische Fehlentscheidungen aus der Situation oder auch schlicht Qualifikationsprobleme bei Entscheidern.

Die pauschale Darstellung einer Branche als Schwachmaten ist aber undifferenziert, falsch und oft anmaßend.   Kürzlich las ich in einer Überschrift die Bezeichnung „Fortschrittsverweigerer“ für die Branche.  Es wird aber nicht dargelegt, was denn der Fortschritt gewesen wäre.

Zunächst als Prämisse:

Es kann keine Kritik an „der Branche“ geben, da eine Branche die Summe der Einzelunternehmen ist, die sich gesetzlich und aus ihrem Selbstverständnis als marktwirtschaftliche Wettbewerber nicht abgestimmt verhalten. Jeder Marktteilnehmer versucht zu denen zu gehören, die erfolgreich sind, auch wenn er dabei im Kontext mit den anderen als Addition im Nachhinein einen Fehler gemacht hat. Die 96 Seiten Maschine ist für ihn ein konsequenter Weg zum Ziel. Allerdings nicht mehr, wenn das viele andere auch so sehen.

Die Losung der letzten Jahre „ Nur die Großen überleben“ zeigt sich in diesem Zusammenhang als Irrtum. Der Irrtum wir noch dadurch verstärkt, dass die Flexibilität und auch die Möglichkeit der geforderten Individualisierung dem zunehmend entgegensteht.

Auch hier ist die individuelle Entscheidung respektabel , die theoretische Kritik an „der Branche“ jedoch berechtigt.

Was hätte der harsche Kritiker denn als Unternehmen alternativ getan? Diese Antwort wird nicht gegeben.

Manche wählten den Weg, nicht zu investieren. Aus unterschiedlichen Gründen. Bei manchen war es richtig, sie leben noch, bei anderen falsch.

Oft wird mit „Fortschrittsverweigerung“ gemeint, die Druckunternehmen hätten sich früh und intensiv mit digitalen Dienstleistungen am Markt präsentieren müssen. Das haben einige getan. Viele davon mussten aufgeben, weil der Markt lieber zu denen ging, die was davon verstanden. Die positive Kompetenzvermutung fehlt dem Drucker gegenüber.

Es gibt Beispiele, die das frühzeitig gemerkt und sich von Print rechtzeitig verabschiedet haben, um voll auf Programmierleistung zu setzen.

Ein Weg, aber ein komplett neuer.

Die mittelständischen Drucker im Segment Zeitschriften, Kataloge mit höherer Fertigungsbreite und -tiefe usw. haben oft weniger automatisiert und standardisiert. Manchmal falsch, manchmal richtig. Sie setzen auf Individualisierung, bieten enorme Leistungen in Weiterverarbeitung und Logistik. Sie kämpfen aber auch mit sinkenden Margen. Ihre unternehmerische Einzelentscheidung ist aber kein Grund für Häme und Spott.

Es gibt zweifellos auch Managementversagen durch fehlendes Engagement. Das gab es immer und es gab dadurch auch Insolvenzen in Jahren, in denen der Markt noch intakt war. Auch jetzt.

Es gibt auch Fehler, die man in der ganzen Branche feststellen kann. Ein für mich ganz wesentlicher Aspekt dabei ist, dass der Verkauf und auch Verkaufsinnendienst überwiegend falsch qualifiziert und falsch aufgestellt ist. Auch kommt es im Mittelstand immer auf den Chef und seine Führung oder Richtlinienkompetenz an, auch wenn das in der Theorie oft negiert wird.

Die Marktveränderung verlangt aber nach Konsolidierung, das ist folgerichtig. Es gibt unterschiedliche Wege und es wird noch mehr Verlierer geben.

Eins aber ist besonders fatal:
Die Unternehmen, die aus welchen Gründen auch immer im Markt keine Chance mehr hatten, müssen diesen verlassen und nicht von zum Teil fragwürdigen Übernehmern für eine gewisse Zeit weitergeführt werden mit den bekannten Schäden.

Mein Appell:  Gehen wir differenzierter und fairer in die Analyse, verunglimpfen wir nicht engagierte Unternehmer und Manager und damit eine Branche mit unzulässigen Pauschalierungen. Wir brauchen einen motivierten Mittelstand weiter in der Druckindustrie.

Quelle: https://www.print-und-produktion.de